6-Quartale-/Ceteris paribus-/Voraus-Projektion

Allgemeine Beschreibung der Methode

Vom Standpunkt eines volkswirtschaftlichen Modells sind die Außenhandelspreise, der kurz- und der langfristige Zinssatz und etliche andere Variablen als exogen anzusehen. Üblicherweise wird die Entwicklung der exogenen Variablen über den Stützbereich hinaus durch Experten vorhergesagt und im Rahmen einer Projektion als externe Vorgabe behandelt. Wie am Beispiel des Ölpreises zu beobachten war, veralten diese Vorgaben manchmal schneller als eine Prognose publiziert werden kann, oder sie halten einer kritischen Betrachtung nicht Stand. Deshalb wird der Ölpreis im EMGE parallel zu externen Vorgaben durch eine vom Welthandelsvolumen und vom langfristigen Zinssatz abhängige Verhaltensgleichung bestimmt und (u.a.) mit der Projektion des IMF (Economic Outlook) abgestimmt. Im Fall extremer Abweichungen bedeutet dies, dass Plausibilitätsbetrachtungen darüber entscheiden, von welchen Daten ausgegangen wird.

Die bislang verwendete Zeitreihe für das Welthandelsvolumen stammte von der Statistikseite der OECD, Rubrik: International trade (MEI), World trade in goods and services (in bill. of 2005 US-$). Die Zeitreihe endet 2014, 2. Quartal. Der Versuch, dieses Aggregat durch alternative Zeitreihen zu ersetzen, ist in der November-Prognose 2018 beschrieben worden, hat sich aber nicht bewährt. Momentan wird eine längerfristige Zeitreihe des IMF mit jährlichen Prozentzahlen des Welthandelsvolumens bis 2028 (!) zugrunde gelegt und durch die aktuellere halbjährliche IMF-Prognose (Economic Outlook) korrigiert.

Der hier verwendete Begriff einer Ceteris paribus-Projektion impliziert die übliche Annahme, dass sich die Verhaltensparameter im Prognosezeitraum nur wenig von denen unterscheiden, die im Stützbereich geschätzt worden sind. Erste Ergebnisse einer diesbezüglichen Analyse zeigen, dass jährliche Schwankungen des konsumtiven Verhaltens der Haushalte als zufällig betrachtet werden können. Die Bedeutung der Prämisse ("Stabilität der Parameter des Modells") sollte also nicht überschätzt werden. Man möge bedenken, dass sich das Modell zwar jedes Vierteljahr (und mit ihm die Schätzwerte der Verhaltensparameter) wandelt, es aber trotzdem für die überlappenden Perioden des Stützbereiches annähernd die gleichen Ex-Post-Prognosen liefert.

Zusätzliche Informationen, wie zum Beispiel die Planung von Ausgabensteigerungen oder -kürzungen der Regierung, werden den Prognosen im Allgemeinen nicht zugrunde gelegt, um dies in separaten Simulationen berücksichtigen zu können. Ausnahmen von dieser Regel sind die Sozialversicherungs-Regelsätze, die fortgeschrieben werden. Werden weitere Ausnahmen gemacht, so werden sie bei der Darstellung der Prognose-Ergebniss angegeben. Neue Ereignisse und Prozesse werden immer erst dann berücksichtigt, wenn sie sich in den volkswirtschaftlich relevanten Daten niederschlagen. Das Modell soll die darin enthaltenen Trends möglichst exakt und unverfälscht abbilden. Das führt allerdings teilweise zu erheblichen Abweichungen im Vergleich zu den Vorhersagen von anderer (sozusagen "amtlicher", vom Staat geförderter) Seite.

Des Weiteren wäre zu beachten, dass bei den grundlegenden Rechnungen weder eine saisonale Glättung noch eine Kalender-Bereinigung der Daten vorgenommen wird.

Seit September 2013 wird in den Grafiken das 95-Prozent-Konfidenzintervall der Prognosen dargestellt. Bei einigen Grafiken erfolgt dies nach dem Vorbild der sog. "Rivers of Blood", die wohl von der Bank of England zuerst verwendet worden sind. Im deutschen Fernsehen sind sie auch bei "langfristigen" Temperaturvorhersagen zu sehen.

Neu sind zwei Grafiken, die zuerst im Februar 2018 veröffentlicht worden sind und eine genauere Prognose der Wendepunkte im konjunkturellen Zyklus ermöglichen sollen. Dabei handelt es sich um einen Vergleich des saisonal geglätteten Verlaufs seit 1991 mit dem Wachstumstrend, der durch den HP-Filter produziert wird. Diese Grafik soll vor allem belegen, dass das reale konjunkturelle Geschehen wesentlich komplizierter abläuft, als sich das mancher so vorstellt. Interessanter, aber auch problematischer, ist ein neu konstruierter Index, der die saisonal geglätteten Daten mehreren Prozeduren unterwirft, um die aktuelle Position der Volkswirtschaft im konjunkturellen Zyklus deutlich zu machen. Im Kern handelt es sich dabei um einen Vergleich gleitender Durchschnitte von unterschiedlich gefilterten Prognosedaten. Die Zukunft wird zeigen, ob sich dieser Index bewährt und wie er eventuell verbessert werden kann.

Die Lösung des Modells erfolgt dynamisch über den gesamten Stützbereich mindestens bis zum Ende des Prognosezeitraumes. Dabei traten im Zusammenhang mit der Krise 2008:3 bis 2009:2 Fehler größer als 1 Prozent auf, die aber inzwischen nicht mehr zum Stützbereich gehören. Die Fehleranfälligkeit wiederholte sich um die Jahreswende 2022/23, was vor allem auf einige Ungenauigkeiten in den Preisgleichungen zurückzuführen war. Theoretisch sind der Fehler am aktuellen Rand und der Trend prognostisch entscheidend (siehe unkorrigierte Lösungskurven). Abweichungen von den Daten des letzten beobachteten Quartals werden durch ad-hoc-Faktoring behoben, so dass die unkorrigierten Lösungskurven nicht hinsichtlich des Niveaus, sondern hinsichtlich des Trends der prognostizierten Daten gedeutet werden müssen. Die Staatsausgaben und -einnahmen (einschl. entsprechender Teilaggregate) werden aufgrund der jährlich erscheinenden detaillierten Daten des StBA, den aktuellen Daten der "Arbeitsunterlagen" und der Daten, die Teil der vierteljährlichen Standardpublikationen sind, prognostiziert. Die verschiedenen Datenquellen werden in der Beschreibung des Modells dokumentiert.

Die Prognose der Verschuldung des Staates erfolgt auf Grund der Formel: Schuldenstand des letzten, vom StBA berichteten Werts - (minus) Finanzierungssaldo der folgenden Quartale = neuer Stand.

Die Prognosegenauigkeit wird (über die üblichen internen ex post-Prognose-Tests bei der Justierung des Modells hinaus) sowohl anhand eines Vergleichs der verschiedenen Prognosen des jährlichen BIP-Wachstums mit dem Ist-Wert (hier) als auch durch eine Berechnung der Prognosefehler bei den wichtigsten Wirtschaftsindikatoren im letzten Vierteljahr kontrolliert, um ernsthafte Modellfehler zu identifizieren. Bei den Prognosefehler des letzten Quartals ist zu bedenken, dass diese beispielsweise durch das Saisonmuster in den prognostizierten Werten, das dem 10-Jahresdurchschnitt entspricht und darum höchstwahrscheinlich nicht mit dem aktuellen übereinstimmt, in höherem Maße als die jährlichen Prognosen vom beobachteten Wert abweichen können, wobei sich diese Fehler im Jahresdurchschnitt zum Teil ausgleichen.

Seit der Modellversion 06_10 wird außerdem der aktuelle Loop der Phillipskurve zur Überprüfung der Plausibilität der Prognose herangezogen. Allerdings zeigt sie keine so klaren Verläufe wie in den 90er und 2000er Jahren.

Blickt man auf die aktive Zeit zurück, so ist zu bemerken, dass das EMGE in der Regel sowohl zu optimistische als auch zu pessimistische Prognosen liefert, also ein wenig zu Extremen neigt. Bisherige Erfahrungen besagen, dass Extreme besonders durch den Modelltyp AR(1) zustande kommen, wenn dieser außerdem noch die Differenzen der Regressoren verwendet (Wolters S.72, siehe Gaab, Heilemann, Wolters im Quellenverzeichnis der Modellbeschreibung).

Das Modell wird seit 2019 einer ständigen Revision unterzogen, bei der die Plausibilität der Ex-post-Prognosen im Vordergrund stand und steht. Das Modell läßt sich ohne Weiteres an die Änderungen jedes neuen Datensatzes anpassen. Die Pandemie erforderte zunächst einen Eingriff in die Konsumgleichung sowie in die der staatlichen Subventionen. Aber auch die anderen Finanz-Variablen und eine Gleichung für die Arbeitslosigkeit mussten angepasst werden. Bedingt durch die hohe Inflation war es notwendig geworden, die Preisgleichungen zu revidieren. Erschwerend wirkt dabei die Tatsache, dass in der ökonomischen Theorie nur wenige deterministische Zusammenhänge berichtet werden, die einem empirischen Test unterzogen werden könnten.

28. Mai 2023

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