Forschungsseminar „Politik und Wirtschaft“

Protokoll zur Sitzung vom 17. Juli 2014

Ort: Grimmaische Str. 12, SR 16

Beginn: 17.15 Uhr

Ende: 18.40 Uhr, danach gemeinsamer Semesterabschluss

Anwesende:

Arndt, Christian; Arglist, Felix ; Christens, Sven; Dück, Joseph; Feiler, Stefan; Fluhrer, Bruno; Köster, Robert; Melch, Simon; Müller, Karsten; Quaas, Friedrun; Quaas, Georg; Scholz, Richard; Thieme, Sebastian

Protokollant: S. Melch

TOP1: Protokoll der letzten Sitzung

Keine weiteren Anmerkungen.

TOP2: Klassifikation von Modellen (Beitrag von G. Quaas)

Hintergrund des Beitrages: Zuarbeit auf Anfrage von S. Thieme bezüglich evolutorischer Eigenschaften von Modellen nach T. Lawson

Erörtert wurden zunächst die Begriffe „Theorie“ (als deskriptive Sätze mit Wahrheitsanspruch bezüglich bestimmter Sachverhalte, die im Idealfall existieren) und „Modell“ (als Darstellung von Sachverhalten, die nicht zwangsweise reale Bezüge aufweisen). Den Eindruck, dass Theorie und Modell oft ineinander verzahnt sind (Bsp. S. Thieme: das sehr stark theoretische Arbeitsmarktmodell), bestätigt Q. Quaas. Die mitunter schwierige Abgrenzung zeigt sich z.B. auch am Verweis von R. Scholz auf das Sraffa-Modell, welches nicht mathematisch in Sätzen formuliert ist und somit gegen die vorgestellten Tendenzen (Formulierung von Theorien in Sätzen, zumeist mathematische Veranschaulichung durch Modelle).

Die erste vorgestellte Klassifikationsmöglichkeit war die Unterscheidung von theoretischen und praktischen Modellen. Der Fokus des Beitrages lag auf deskriptiven, der Theorie nachgelagerten Modellen, die sich auf einen existierenden Sachverhalt beziehen. Eine wichtige Funktion von Modellen liegt in der Veranschaulichung von Sachverhalten. S. Thieme verweist auf die Unverständlichkeit mancher ökonomischer Modelle; G. Quaas bestätigt das: Es gäbe auch viele schlechte Modelle und Anschaulichkeit sei ein relativer Begriff. Neben der Möglichkeit, verschiedene Modelle für einen einzigen Sachverhalt zu entwickeln (G. Quaas), verweist S. Thieme auf Situationen, in denen Theorie und Modell sich grundlegend unterscheiden.

Als zweite Klassifikationsmöglichkeit wurde die Unterscheidung in analytische (im Subjekt ist etwas gedacht, was im Prädikat ausgedrückt wird) und synthetische (das Prädikat drückt ein Novum aus) Sätze vorgestellt. G. Quaas bestätigt die Vermutung, dass analytische Modelle tautologischen Charakter haben und bejaht die Frage nach der Möglichkeit analytischer Modelle außerhalb der Mathematik. In der Ökonomik sind jedoch Hybridmodelle (Interpretation und Operationalisierung synthetische Sätze) die Regel. Es wurden dann verschiedene ökonomische Modelle/Funktionen (Konsumfunktion, Ramsey-Nutenfunktion, Funktion mit stochastischem Term) hinsichtlich ihres analytischen bzw. synthetischen Charakters diskutiert. G. Quaas sieht als kritischen Punkt dieser Klassifikation, dass die analytische Wahrmachung synthetischer Aussagen immer möglich ist. Als Beispiel für ein Hybridmodell wird von G. Quaas die Multiplikatortheorie angeführt: Hier folgt, ausgehend von einer synthetischen Konsumfunktion, der analytischen Ableitung letztlich eine kausale Interpretation. Grundsätzlich ist die Interpretation von Modellen hinsichtlich Kausalbeziehungen jedoch problematisch.

Zwei weitere Klassifikationsmöglichkeiten wurden aufgrund der fortgeschrittenen verkürzt angesprochen. Es handelt sich dabei um die Unterscheidung von Mess- und Strukturmodellen sowie von dynamischen und statischen Modellen.

Abschließend wurden Charakteristika evolutorischer Modelle diskutiert.                Können diese ihrem eigenen Anspruch genügen? Ein Modell mit Random Walk wäre nach manchen Kriterien definitionsgemäß (S. Thieme in Anlehnung an T. Lawson) evolutorisch. G. Quaas hält das allerdings für noch nicht ausreichend. R. Scholz weist darauf hin, dass die Erklärung von Wandel durch Zufallsprozesse unbefriedigend ist. R. Köster macht auf die Zufallsentwicklungen bei der Spurbreite der Eisenbahn aufmerksam und merkt an, dass es immer darauf ankommt, was erklärt werden soll. S. Thieme bezweifelt, dass man Wandel überhaupt in mathematische Formeln fassen kann und ob neue Strukturen generell modellierbar sind. G. Quaas verweist auf spätere Folien (nicht mehr Teil der Sitzung), in der „Evolving Modelle“ vorgestellt werden; Fixpunkte für Modelle seien jedoch unerlässlich. Das VSB-Paradigma, so R. Scholz, bildet einen solchen Ankerpunkt und Modelle, die das enthalten, werden trotzdem der Evolutorik zugeordnet. F. Quaas stellt die Frage nach dem Erkenntnisinteresse der Ökonomik und argumentiert, dass die Neoklassik mit ihrer statischen Betrachtungsweise ein Erkenntnisinteresse hat, dass sich von der Evolutorik (die in sich heterogen ist) grundlegend unterscheidet.

Das Forschungsseminar zeigte sich interessiert an einer Fortsetzung des Themas im nächsten Semester. Im Anschluss an den offiziellen Teil des Seminars folgte der gemeinsame Semesterabschluss im Texas Inn.